Die Passung ist wichtiger als der Lebenslauf

Die Passung ist wichtiger als der Lebenslauf

 

Die Betriebswirtschaftslehre ist voll von Konzepten und Methoden, die ihre Wurzeln im Taylorismus haben. Frederick Winslow Taylor prägte Anfang des 20. Jahrhunderts die Idee, dass ein Mensch in einem Unternehmen wie ein Rädchen in einem präzisen abgestimmten Uhrwerk funktioniert. Nach diesem mechanistischen Ansatz entsteht ein positives Gesamtergebnis, wenn jeder einzelne Mensch seine Aufgabe optimal erfüllt. Diese Vorstellung legte den Grundstein für viele heutige Managementpraktiken – Stellenbeschreibungen, Zielvereinbarungen und Personalentwicklungs-maßnahmen, die alle darauf abzielen, den „perfekten Mitarbeiter“ zu formen.

Dabei rückt der Mensch selbst in den Fokus. Lebensläufe, Zeugnisse, Sprachkenntnisse und die souveräne Performance in einem Assessment Center oder Bewerbungsgespräch werden zum Maßstab für Erfolg. Doch wie zielführend ist das?

In Dynamik verliert der Taylorismus an Bedeutung

Die Annahme, dass sich Gesamtleistung aus der Summe der Einzelleistungen ergibt, ist in der heutigen Wirtschaftswelt nicht mehr zutreffend. Diese Sichtweise verkennt die Dynamik und Komplexität moderner Arbeitswelten. Der systemtheoretische Ansatz bietet hier eine andere Perspektive: Erfolg ist kein individuelles Merkmal, sondern ein emergentes Phänomen. Das bedeutet, dass sich Leistung nicht auf die Eigenschaften einzelner Menschen reduzieren lässt. Sie entsteht erst im Zusammenspiel, im Kontext – und vor allem durch die Qualität des Teamgefüges.

Dynamik und Emergenz lassen sich nicht in standardisierte Stellenbeschreibungen pressen. Teams, nicht Einzelpersonen, sind die kleinste Einheit eines Unternehmens. Und die Qualität eines Teams hängt nicht von den Lebensläufen seiner Mitglieder ab, sondern von der Passung zueinander: Können die Menschen gut miteinander arbeiten? Unterstützen sie sich gegenseitig? Passen ihre Werte, Arbeitsstile und Fähigkeiten zueinander? Verfolgen sie die gleichen Prinzipien?

Die Magie der Passung

Die Fußballwelt liefert oft eindrucksvolle Beispiele: Es gibt Mannschaften, die trotz geringem Marktwert ihrer Spieler Top-Teams schlagen. Warum? Weil sie als Einheit besser funktionieren. Der Wert des Kollektivs übertrifft den der Einzelspieler bei weitem.

Ebenso verhält es sich in Unternehmen: Hoch performante Teams zeichnen sich durch ein hohes Maß an Kohärenz und Zusammenarbeit aus. Die Auswahl neuer Mitarbeiter darf deshalb nicht allein auf Lebensläufen und Zertifikaten basieren, sondern muss die Frage der Passung ins Zentrum stellen.

Neue Wege im Recruiting und Onboarding

Was bedeutet das für die Praxis? Das klassische Bewerbungsgespräch und andere Auswahlmethoden verlieren an Bedeutung. Stattdessen sollte das Team selbst den Auswahlprozess gestalten. „Probetage“ mit Kandidaten sind ein zentraler Baustein: Hier zeigt sich in der Realität, ob eine Zusammenarbeit funktioniert. Das Vetorecht aller Teammitglieder stellt sicher, dass jede Stimme zählt und die Verantwortung für den Erfolg gleich verteilt ist. Das Mindset und Motivation der Teammitglieder ist ein ganz anderes als in klassischen Auswahlprozessen.

Das Onboarding, oft als technische Notwendigkeit betrachtet, wird zum Schlüsselmoment. Es ist mehr als das Übermitteln von Prozessen und Arbeitsmethoden. Es ist die Phase, in der sich zeigt, ob der neue Kollege wirklich Teil des Teams wird. Dabei spielt das Team selbst die Hauptrolle: Es gestaltet den Onboarding-Prozess, teilt seine Werte und Prinzipien, und schafft einen Raum für Austausch und Integration.

Fazit: Weg von der Individualfixierung

Die Zeit des individualzentrierten Managements neigt sich in zunehmender Dynamik dem Ende zu. Der Fokus verschiebt sich vom Einzelnen hin zum Kontext – zum Team, zur Passung, zur Emergenz. Unternehmen, die diese neue Denkrichtung erkennen und verinnerlichen, werden in einer zunehmend dynamischen Welt die Nase vorn haben. Denn Erfolg entsteht nicht durch perfekt geölte Zahnräder, sondern durch das Zusammenspiel von Menschen, die im richtigen Kontext das Beste aus sich herausholen. Somit ist die Passung wichtiger als der Lebenslauf.

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