Mensch und Person sind nicht das gleiche!
Warum bekommen Organisationen immer die „Personen“, die sie verdienen?
Hast Du es auch schon erlebt? Deine Kollegin, die im Büro stets kühl und professionell auftritt, entpuppt sich privat als herzliche Gastgeberin. Oder der Manager, der bei Präsentationen vor Selbstbewusstsein strotzt, zeigt in der Freizeit überraschend wenig Führungsdrang. Der Grund? Mensch und Person sind nicht das Gleiche.
Das Wort „Person“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Maske. Als Person agieren wir nach den Erwartungen unserer Umwelt. Diese Masken sind keine Täuschung, sondern notwendige Instrumente, um in sozialen Systemen zu funktionieren. Wenn Du Dich in einem bestimmten System – einer Organisation, einem Unternehmen, einer gesellschaftlichen Rolle – bewegst, werden bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher, andere unwahrscheinlicher. Ein Polizist in Uniform handelt regelkonform und autoritär. Dieselbe Person im privaten Kreis zeigt Fürsorge und Humor.
Systeme gestalten Personen – nicht Menschen
Niklas Luhmann, der Vordenker systemischer Theorie, hat diesen Punkt elegant auf den Punkt gebracht: Organisationen sind soziale Systeme, die nicht aus Menschen bestehen, sondern aus Kommunikationen. Der Mensch ist für das System nicht mehr als Umwelt. Organisationen schaffen Bedingungen, die aus Menschen „Personen“ machen – Menschen, die ihren Platz im System finden, weil sie dessen Regeln und Erwartungen erfüllen.
Ein Paradebeispiel: Kleidung. Niemand zieht zur Oper die Fußballtrikots an, die er am Wochenende im Stadion trägt. Warum? Weil das System Oper andere Signale und Erwartungen produziert als das System Fußballstadion. Die Person passt sich an.
Und genau darin liegt der entscheidende Punkt: Organisationen bekommen immer die Personen, die zu ihrem System passen. Du kannst die besten Talente einstellen – wenn Dein System ihnen keinen Raum lässt, um ihre Stärken auszuspielen, werden sie scheitern. Und das liegt nicht an den Menschen, sondern an den institutionellen Bedingungen, die Verhalten prägen.
Weniger Regeln, mehr Freiheit
Möchtest Du Menschen entwickeln? Dann entwickle zuerst das System! Frage Dich: Welche Regeln, Routinen und Prozesse behindern das Verhalten, das Du fördern willst?
Ein Unternehmer aus dem Maschinenbau forderte beispielsweise mehr Kundenorientierung von seinen Mitarbeitenden ein. Klingt vernünftig, oder? Doch ein genauer Blick auf die Organisation offenbarte das Gegenteil: Die Mitarbeitenden waren mit internen Regeln und bürokratischen Vorgaben überladen. Es blieb weder Zeit noch Energie, um kundennäher zu handeln. Die Lösung lag nicht in mehr Zielen und Anweisungen, sondern im Weglassen von Aufgaben, die keinen Mehrwert schufen. „Weniger ist mehr“ – eine banale, aber oft übersehene Wirklichkeit.
Mensch und Person – eine Frage des Systems
Mensch und Person sind nicht identisch, und Organisationen sollten dies verstehen. Menschen entwickeln sich nicht in starren, regelbesessenen Systemen. Sie entfalten sich, wenn Systeme Flexibilität, Sinn und Raum für Kreativität bieten.
Die Frage ist nicht: „Wie ändern wir die Menschen?“ Die Frage ist: „Wie ändern wir das System?“ Denn am Ende wird jede Organisation die „Personen“ bekommen, die in ihr System passen.